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Ich komme gleich zum Punkt: Ich habe mein erstes Auto wieder! Seit Jahren mache ich mir Gedanken und Pläne, durchforste mobile.de und überlege ernsthaft mir wieder mein erstes Auto zu kaufen: Einen Renault Twingo. Das Problem: Brauche ich nicht. Und wenn ich etwas nicht brauche, tu ich mich sehr schwer Geld dafür locker zu machen.

Als mein Freund Deniz mich anrief ob ich Interesse an seinem alten Twingo C06 mit D7F 58PS Motörchen hätte, konnte ich kaum widerstehen und fuhr hin. „Ich weiß wie sehr du Twingos liebst und dass er bei dir noch einige Jahre leben wird anstatt geschlachtet zu werden.“, meinte er.

Kleiner Rabauke: 2001er Renault Twingo

Einfach mal was für mich

Zugegeben, wollte ich diese Geschichte ursprünglich gar nicht mit der Öffentlichkeit teilen und sie erst recht nicht hier ins AUTODROM schreiben, wurde jedoch umgestimmt. Meinen ersten Twingo habe ich als zerknüllten Metallklumpen verlassen, mit Verbrennungen am Unterarm, einem eingeklemmten linken Fuß und dem Gestank der Airbags in der Nase. Für alle war es „nur ein Auto“ das kaputt gegangen ist, für mich ein Freund den ich verloren habe, mit ihm auch meine gesamte jugendliche Freiheit. Tatsächlich hat es mehrere Jahre gedauert bis ich dieses Trauma zwar nicht bewältigen, in meinem Kopf aber nach hinten verschieben konnte.

Dass ich mein erstes Auto wieder besitze ist für mich ein Stück Wiedergutmachung, ein Stückchen heile Welt, ein Stück verlorene Freiheit und etwas Hoffnung. Hoffnung, dass auch so manche verloren geglaubte Geschichte vielleicht doch ein happy end haben kann. Auch 15 Jahre später.

Eine kleine Zeitreise

Renault Twingo AUTODROM
Ungewohnt gewohntes Bild: Ein schwarzer Twingo vor meiner Haustür.

Nun stehe ich da, den altbekannten, grauen Schlüssel in der Hand vor einem schwarzen Twingo. Bin ich gewachsen oder war der wirklich so klein? Von so nah betrachtet kommt mir der kleine Renault vor wie ein Geist. Mein altes Auto, das verschrottet wurde, steht vor mir und ich muss zugeben, dass ich für einen Moment zögere aufzuschließen und einzusteigen – aus Angst, was für schlafende Gefühle in mir diese Erfahrung wecken könnte. Werde ich dann wieder zum 19-Jährigen „MoZZy“? Muss so ein Gefühlschaos denn wirklich sein?

Was habe ich alles in meinem Twingo damals erlebt? Vom ersten Straßenrennen bis hin zur ersten großen Liebe – mein Twingo war stets mein Begleiter. Durchleben möchte ich das alles nicht mehr, aber für einen Moment in das damalige Gefühl von Freiheit eintauchen klingt sehr verlockend.

Renault Twingo AUTODROM Cockpit
Gelitten hat er…

Ach, was soll schon passieren?

Kaum hinterm Lenkrad ist alles so ungewohnt vertraut, obwohl ich seit über 15 Jahren keinen Twingo von innen gesehen habe. Der Kleine 1,2l D7F Motor erwacht beim ersten Kurbeln zum Leben und gibt die gewohnte, klackernde Geräuschkulisse zum besten – war das Klackern denn wirklich so prägnant? Die Kupplung ist ungewohnt, schließlich ist sie beim Twingo doch sehr empfindlich, aber daran gewöhnt man sich rasch. Nach wenigen Metern Fahrt ist alles beim Alten und ich lasse den Blick über die graue Cockpitlandschaft schweifen.

„Gelitten hat dieser Twingo…“, denke ich mir. Der Kunststoff ist unübersehbar alt und trägt Narben der letzten 20 Jahre und unzähliger Vorbesitzer. „Bevor ich ihn gekauft habe war das ein Werkstattwagen…“, meint Deniz „…viel Liebe hat er nicht erfahren dürfen.“ – dafür hat er vor wenigen Tausend Kilometern einen neuen Zahnriemen bekommen und scheint technisch ganz gut zu funktionieren.

Passt ja, wenn ich mein Gesicht im Spiegel betrachte wird mir bewusst dass die Zeit nicht nur am Twingo ihre Spuren hinterlassen hat. Wo einst meine stolze Rockerlocke war glänzt heute nackte unbehaarte Haut, mein Bart wird langsam gräulich und mein Schnurrbart wird seinem Namen gerecht. Naja, wenn es so weiter geht kann ich mich in wenigen Jahren als Model für die Patros-Werbung bewerben. Innerlich kichernd über diese Vorstellung fahr ich weiter und bei der nächsten Steigung brüllt mir das gewohnte Ansauggeräusch des D7F ohne Kaltluft-Ansaugungs-Schlauch (löst sich gerne auf) entgegen. Ach was habe ich das vermisst…

Twingo Tuning individual

Renault Twingo AUTODROM
„eltacoloco!“

Deniz hat den Twingo an seine Bedürfnisse angepasst: In den vorderen Scheibenrahmen stecken Windabweiser, die hinteren Scheiben sind getönt und der Twingo brettert mit einem Gewindefahrwerk um die Kurven wie ein Go-Kart. Die vordere Stoßstange ziert eine fette Spoilerlippe und die Scheinwerfer sind durch abgedunkelte DEPOs ersetzt. Ich muss zugeben, das sieht schon echt cool aus, aber irgendwie möchte ich das alles außer das Gewindefahrwerk nicht an meinem Auto haben.

Ich bin nicht Alf Cremers, der jetzt von „Entfernen, um die Würde des Autos wiederherzustellen.“ spricht, mein Stil ist es aber echt nicht. Wahrscheinlich bin ich von den ganzen Prospekten und meinem Buch „La Renault Twingo de mon père“ von Jean-Luc Armagnaco verwöhnt – was übrigens zur Pflichtlektüre für jeden Twingo-Fan gehört. Dazu kommt, dass ich generell keine Modifikationen am Auto mag, die es nicht schneller oder besser machen. Das Fahrwerk bleibt, der Rest kann gehen.

Der einzige offensichtliche Defekt am Twingo ist das Glasdach, aber Deniz hat schon vorgesorgt und ein anderes besorgt, sowie Unmengen an Teilen für den Wagen. Es ist so viel dass es hier den Rahmen sprengen würde alles aufzulisten!

Ein Ersatz-Glasdach ist schon dabei.

Hallo, alter Freund

Nur wenige Tage nach dieser Probefahrt sitze ich wieder in diesem Twingo, nur dass es jetzt meiner ist und Reutlinger Kurzkennzeichen montiert hat. An einer Raststätte mache ich eine kurze Pause und realisiere erst was ich da gerade getan habe. Das ist meiner! Zugegeben, Autobahnfahrten gehören nicht gerade zu den Kernkompetenzen des kleinen Franzosen, erst recht mit klapperndem Dach und einem Kofferraum voller Ersatzteile. Beim Fahren fällt mir auf dass der Motor ein wenig „zugeschnürt“ wirkt zum Teil, das muss ich noch genauer unter die Lupe nehmen. Ich tippe einfach mal darauf, dass er in Vergangenheit relativ sparsam gefahren wurde und ihm großer „Freilauf“ verwehrt wurde – aber das kriege ich schon hin.

Kleines Auto, viel Raum

Zuhause angekommen wird das ganze Unterfangen plötzlich etwas surreal. Da steht er, mein Twingo. In meiner DIN-Garage ist um dieses Auto so viel Platz, dass man daran arbeiten kann. Man kann sogar drumherum laufen und richtig schrauben. Achwas, gefühlt ist da Platz zum Tanzen! Bei der ersten Gelegenheit sitze ich mit dem neuen Familienmitglied in der Garage und muss gar nicht lange überlegen was ich damit machen möchte.

Er soll genau so werden, wie ich mir mit 19 immer meinen damaligen Twingo erträumt habe: Eine kleine Spaßmaschine mit authentischem Charakter und purer Fahrfreude. Damals konnte ich nur davon träumen, heute weiß ich wie ich das umsetzen muss und traue mir das auch zu. Schrauben kann ich in der Zwischenzeit.

Twingo Motor Tuning 2.0

Als erstes geht es dem Motor „an den Kragen“. Pflege hat Deniz nicht vernachlässigt, das sieht und spürt man, nach über 200.000km lagert sich doch einiges in der Kiste ab. So ist der Ölkreislauf stark verschlammt, der Kühler zugesprengelt mit Straßendreck und im Kühlwasserbehälter sieht man schon die Ablagerungen. Einer der ersten Schritte wird sein alles zu spülen und alle Flüssigkeiten zu erneuern. Im Zuge dessen möchte ich auch die Ventilchen neu einstellen. Gerade bei älteren Renault-Motoren hört man diese gerne sehr deutlich klacken.

Der Renault D7F Motor ist kein Rennmotor und wird ohne krasse Bearbeitung auch keiner werden. Das effektivste, was man diesem doch sehr direkten Motörchen antun kann um sein Verhalten spürbar zu verändern ist die Bearbeitung der Ein- und Auslassseite. In diesem Fall wird ein K&N Tauschluftfilter seinen Platz im originalen Luftfilterkasten finden und der Auslasskrümmer mit Hitzeschutzbändern umwickelt. Durch diese wird die Temperatur im Motorraum stark reduziert und die Abgastemperatur erhöht. Da wärmeres Gas besser und schneller ströhmt, erhöht sich damit die Abgasgeschwindigkeit, sodass der Motor effektiver ausatmen kann.

Natürlich sorgen diese zwei Modifikationen für keine krasse Leistungsspritze und unfassbar viel Leistung, das Ansprechverhalten des Motors ändert sich jedoch spürbar und passt deutlich besser zum dynamischen Charakter des Twingos. Dazu kommt die nicht unrelevante Tatsache dass es beides legal ist und diese Veränderungen nicht eingetragen werden müssen. Beim aktuellen Zeitwert des Wagens steht eine Eintragung kostentechnisch in keiner Relation zum Wert, weshalb ich auch auf die breiten Intra T-Lines verzichten werde.

Optisches Tuning?

Die Karosserie ist zwar an vielen Stellen fein verkratzt, aber rostfrei. Der Handlungbedarf ist überschaubar. Optisch wird sich einiges tun am kleinen Auto, aber das ist einen andere Geschichte und ich möchte nicht mit eventuellen Plänen um ich werfen, sondern mit Fakten. Was ich möchte ist ein sauberes und gepflegtes Auto, kein Showcar. Der Twingo fährt das ganze Jahr, da ist nichts mit „show’n’shine“.

Renault Twingo AUTODROM
Entwarnung: Auch die Tochter liebt den „Tiingo“!

Ich habe dich vermisst…

Bei der ersten Fahrt im nun eigenen Twingo fällt mir auf was ich wirklich vermisst habe: Die Leichtigkeit. Mit dem Twingo fühlt sich alles einfach so leicht und unbeschwert an – eben so wie das gesamte Leben sein sollte.

Der Twingo ist ein Freigeist, der in kein Raster passt, der nicht gefallen muss und seinen eigenen Weg geht. Es gibt Menschen, die ihn lieben und Menschen, die ihn einfach nur Scheiße finden, jedoch nichts dazwischen. Merkwürdig aber nicht überraschend ist, dass ich diesselben Attribute auch in meiner Persönlichkeit wiederfinde…

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