Es ist endlich soweit, mit Freude präsentiere ich hier meinen neuen alten BMW E39 523i Touring, den ich auf den klangvollen Namen Big Lady getauft habe – das neue Projektauto in der Redaktion des AUTODROMs! Während nahezu alle meine Freunde und Bekannte damit gerechnet haben, dass ich mit einem vernünftigen ’08er E90 320d oder ähnlichem auftauche, sorgte meine Entscheidung, einen 16 Jahre alten 5er BMW mit über 200.000 Kilometern zu kaufen, für Erstaunen und Entsetzen zugleich. Dazu kommt, dass ich generell von sogenannten Kombis und silbernen Autos nicht viel halte – und siehe da, mein neues Auto ist ein silberner 5er Touring!
Warum BMW E39 523i Touring?
Primär wollte ich den Selbstversuch wagen, ein günstiges Endverbraucher-Fahrzeug zu kaufen, um es selbst wieder zu richten und teilweise an meine Bedürfnisse und Anforderungen anzupassen. Höchstwahrscheinlich werde ich auch leider der letzte Besitzer der Big Lady sein, aber das ist im Moment unwichtig. Obwohl der Wagen etwa 214.000 Kilometer auf der Uhr hat und Baujahr 2000 ist, finden sich im Fahrzeugbrief nur zwei Einträge:
Der erste Eintrag ist die BMW AG selbst, kein ganzes Jahr später kaufte ein Herr Jahrgang 1939 den Wagen und fuhr ihn bis zu seiner Abmeldung Anfang 2016.
Des Weiteren steht das Fahrzeug zwar nicht im perfekten Jahreswagen-Zustand da, dafür ist durchgehend der Originallack zu finden und der BMW ist unfallfrei. Alles in allem handelt es sich um ein sehr ehrliches Auto, dass ein paar kleinere Narben des Lebens trägt, aber noch von niemandem (nach-)lackiert oder verschandelt wurde, sodass bisweilen keiner die Möglichkeit hatte, etwas mehr am Auto zu zerstören oder zu vertuschen. Auch das Scheckheft des Fahrzeuges ist lückenlos bei einem Reutlinger BMW-Händler geführt worden.

Klare Vorstellungen vom Projektauto

Am wichtigsten war mir bei der Suche nach dem richtigen Projektwagen, dass es ein klassischer BMW ist. Der Begriff ist sehr weit auslegbar, für meinen Teil definiere ich alle BMWs, vor der Designwende durch Chris Bangle, als klassisch. Zu denen gehören unter anderem auch der E46 3er, E39 5er und natürlich der bildhübsche E38 7er sowie der Roadster Z3. Nichts für ungut, ich bewundere Herrn Bangle und seine Leistungen (Er gehört zu meinen größten Vorbildern!), es ist jedoch Fakt, dass die alten BMW einen ganz besonderen Charme haben.
Ein weiteres, großes Kriterium war die Motorisierung: Es muss nicht das Topmodell sein, aber auf jeden Fall ein Sechszylinder – schließlich wurde BMW durch ebendiese Motoren bekannt und erfolgreich – auch wenn das große Geld durch die Vierzylinder-Modelle nach München geschwämmt wurde – heute mehr denn je! Sogar die Flugzeug-Motoren der Bayrischen Motoren Werke waren größtenteils Reihensechser. Zu Zeiten des Downsizing-Trends und Turbomotoren wollte ich, solange ich noch kann, einen frei atmenden Sechser aus dem Hause besitzen und fahren, als Daily Driver versteht sich.
„Es muss ein Sechszylinder sein!“
Erinnerungen der besonderen Art

Mit einem Ladevolumen von bis zu 1525 Liter ist der E39 Touring mehr familientauglich, aber auch das Musiker-Herz schlägt höher. Das fehlende Rollo wird noch besorgt.
Als ich noch ein kleines Kind war, hatten meine Eltern ein Mal einen E34 520i als Mietwagen vom Flughafen München nach Hause in Pfullingen gebucht und ich kann mich noch heute daran erinnern, wie beide von der Laufruhe und Kraftentfaltung der Maschine sprachen – was mich damals natürlich stark beeindruckte, auch wenn ich zu der Zeit noch keine große Ahnung von der Materie hatte. Aufgewachsen bin ich in einem grünen E30 316i VFL Coupé. Heute, fast 30 Jahre später, erinnere ich mich immer noch an den vollen, rauen Sound der Maschine beim beschleunigen – eben die guten, alten Vergaser-Motoren. 90 PS, die ausreichend waren, um die kleine, leichte Kiste richtig sportlich zu bewegen.
„Das schönste Auto, dass meine Eltern je hatten…“
Jahre später kam nach einem ’86er Mercedes Benz W201 190er 2,5D schließlich das schönste Auto, das meine Eltern je hatten: Eine schwarze E46 316i Limousine mit Z3-Felgen und Klavierlack-Leisten im Innenraum. Trotz seiner etwas schwach wirkenden 105 PS ein Traumauto sondergleichen! Schon damals wollte ich unbedingt den Reihensechser mal fahren.
„Meine Wahl: M52B25/TU 2,5-Liter-Sechszylinder.“
Beim Triebwerk meines neuen alten 5ers handelt es sich um den M52B25/TU 2,5-Liter-Sechszylinder mit einer Ausgangsleistung von 170 PS. Dieser Motor gilt inoffiziell als Nachfolger des sogenannten eta-Motors in den E30-Baureihen des BMW 3ers. Der Drehfreudigkeit zufolge kann ich das jedoch nicht bestätigen – dieser mag es hoch gedreht zu werden! Das TU in der Typenbezeichnung steht für „Technisch überarbeitet“, dabei wurde der Verbrauch gesenkt und das Drehmoment im Vergleich zum Vorgänger angepasst.
Innenraum-Check: Besser als erwartet!
Zugegeben, war ich anfangs sehr skeptisch aufgrund des hohen Kilometerstandes – sowohl was die Abnutzung im Innenraum, als auch den Zustand des Motors betrifft. Der erste Blick in den Innenraum war ernüchternd: Das Auto war noch nicht aufbereitet, stand jedoch bis auf ein paar kleinere Verschmutzungen richtig gut da: Sitze nicht durchgesessen, Leder-Lenkrad in sehr gutem Zustand und nichts defekt, abgebrochen oder beschädigt. Lediglich der Schaltknauf hat vom Glanz der alten Tage nicht mehr viel übrig, er ist auf der einen Seite nahezu vollständig abgefärbt. Ersatz findet sich im Netz ab 25€, der kürzere M-Schaltknauf kostet doppelt so viel.
„Die Ausstattung ist gehobenes Mittelmaß.“

Die Ausstattung ist für damalige Verhältnisse gehobenes Mittelmaß: BMW Business Kassetten-Radio, vier elektrische Fensterheber, Schiebedach, Sitzheizung und die obligatorische BMW Klimaautomatik. Das Bordwerkzeug ist bis auf ein oder zwei Schraubenzieher vollständig und auch der Kofferraum weist keine Gebrauchsspuren auf. Einziges Manko: Der Vorbesitzer hat einen Hund und Kinder. Der Hund hat sein Lieblingsplätzchen im Kofferraum gehabt und die Kinder haben einmal mit Sonnencreme das Auto vor einem Sonnenbrand schützen – was sich durch entsprechende Spuren um den Wagen zeigt. Der Geruch des Tierchens ist zwar recht dezent, aber trotzdem wahrnehmbar, hier muss eine Lösung gefunden werden.
Ab zum Karosserie-Check:
Hier ist Arbeit angesagt!
Generell befindet sich die Karosserie in einem Top Zustand. Alle Spaltmaße stimmen, Reserveradmulde, Motorraum und Unterboden sind sauber. Rost ist bei einem 16 Jahre alten Auto natürlich ein Thema:
- Heckklappe ist an allen Ecken angerostet, hier muss wahrscheinlich Ersatz her
- Schweller haben ja einer Seite leichte Bläschen, jedoch nichts gravierendes
- Kotflügel hinten links und vorne rechts haben Blasen, sind aber durchaus machbar
- Mehrere, kleinere Steinschläge
Viel wichtiger ist, dass der Wagen keine Durchrostungen hat und der Unterboden sauber ist!
Der Vorbesitzer hat den BMW vorne rechts leicht gestriffen, die Stoßstange hat ein paar kleinere, feine Kratzer, hier braucht der Wagen etwas Lack. Die Karosserie hat eine Politur dringend nötig, diese folgt aber erst nach dem Lackieren.

Unleash the beast

Nachdem der Innenraum- und Karosserie-Check am jungen Youngtimer positiv verlaufen ist, soll es nun auf die Straße um zu testen, ob und wie alles funktioniert! Also rote Nummern aufs Auto und los geht’s!
Kaum den Schlüssel gedreht, erwacht das große Sixpack zum Leben. Kein langes kurbeln, gefühlt keine Anstrengung und der Motor läuft ohne jegliche Nebengeräusche. Nach knapp einer Minute, wenn der Kaltlaufregler seine Aufgabe erfüllt hat, wird die Maschine plötzlich so ruhig und entspannt, dass man schon genau hinhören muss um festzustellen, dass dass sie auch wirklich läuft!
„Der Wagen fühlt sich erstaunlich stabil an…“
So, erster Gang rein und los geht’s! Die ersten Meter wirken ungewohnt, der über 4,8 Meter lange Touring gleitet entspannt los. Der Wagen fühlt sich erstaunlich stabil an, die Karosserie scheint nichts von ihrer BMW-typischen Steifigkeit verloren zu haben. Durch die Innenstadt Reutlingens fährt der 5er angenehm unaufgeregt, dabei lässt er sich recht schaltfaul fahren, ausreichend Drehmoment hat die Kiste. Auf der Schnellstraße Richtung Metzingen fahre ich den zweiten und dritten Gang das erste mal aus – wow! Bis etwa 3500 Touren bleibt der Motor ruhig, mit jeder Drehzahl mehr stimmt das Sechszylinder-Orchester eine Sinfonie sondergleichen ein. Hier wird einem bewusst: Ich fahre BMW! Ich fahre einen richtigen BMW! Da ist kein Sportauspuff von Nöten, um richtig Musik zu machen!
„Ich habe Gänsehaut!“
Trotz aller Euphorie, Freude und Begeisterung: Das Auto fährt sich, was Motor und Getriebe betrifft, butterweich und sicher. Bei etwa 100 km/h zittert das Lenkrad ein wenig, was mit Sicherheit auf die Räder zurückzuführen ist: Hier hat jemand beim auswuchten geschludert. Sonst zeigt sich alles wie es sein sollte, perfekt!
BMW VIN-Decoder

Im Internet finden sich sämtliche VIN-Decodierungs-Tools, mit denen man feststellen kann, ob sich das Fahrzeug im Originalzustand befindet oder nachträglich verändert wurde. Die Eingabe meiner Vehikel-Identifikations-Nummer ergab folgende Ergebnisse:
- Typ: 523i Touring (EUR)
- E-F-R-Baureihe: E39-2
- Baureihe: 5
- Bauart: TOUR
- Lenkung: LL
- Türen: 5
- Motor: M52B25/TU
- Hubraum: 2.50
- Leistung: 125 kW (170 PS)
- Antrieb: HECK
- Getriebe: Mechanisch / Manuell
- Farbe: 354 – TITANSILBER METALLIC
- Polsterung: F6AT – STOFF FLOCK/ANTHRAZIT
- Produktions-Datum: 2. März 2000
Die Ausstattung ist folgendermaßen notiert:
- S235 Anhängerkupplung abnehmbar
- S283 BMW LM Rad BMW Styling II
- S302 Alarmanlage
- S403 Glasdach elektrisch
- S413 Gepäckraumtrennnetz
- S423 Fussmatten Velours
- S428 Warndreieck und Verbandstasche
- S464 Skisack
- S494 Sitzheizung Fahrer/Beifahrer
- S508 Park Distance Control (PDC)
- S520 Nebelscheinwerfer
- S534 Klimaautomatik
- S548 Kilometertacho
- S665 Radio BMW Business RDS
- L801 Länderausf. Deutschland/Österreich
- S851 Sprachversion deutsch
- S863 Händlerverzeichnis Europa
- S879 Bedienungsanleitung Deutsch
- S915 Entfall Aussenhautkonservierung
Alle Ausstattungen und Optionen finden sich im Fahrzeug wieder, lediglich die Laderaum-Abdeckung mit dem Gitter-Rollo fehlt, die muss nachgekauft werden. Mit Ausnahme des Schiebdachs, dass ohne Nachhilfe nicht schließen möchte, funktioniert alles am BMW. Besonders erfreut mich, dass sich der Wagen im absoluten Erstauslieferungs-Zustand befindet, der Vorbesitzer hatte wohl kein Interesse daran, den Wagen unnötig zu verändern.
Blick in die Zukunft
Am BMW nur das nötigste zu richten und ihn zu fahren wird ihm nicht gerecht, das war auch den Verkauf meines alten, treuen Renault Clio nicht wert. Komplettumbauten ebenso wenig. Mein Ziel ist es, wie vorhin schon erwähnt, einen schönen, alltagstauglichen Youngtimer zu fahren, der nicht nur gut aussieht, sondern auch praktisch ist und Spaß macht. Letzterem wird die Big Lady schon allein aus der Tatsache heraus gerecht, dass es sich um einen BMW handelt. Aus Erfahrung weiß ich, dass selbst ein 316i einem ein breites Grinsen übers Gesicht zaubern kann, als kann das die große Dame allemal. Um den Wagen an meine Bedürfnisse anzupassen, habe ich folgende Veränderungen vor:

- Infotainment-System: Das originale BMW Business Kassetten-Radio sieht zwar gut aus und passt zum Charakter des Fahrzeugs, jedoch möchte ich auf zeitgemäße Features wie einen CD-Player mit MP3-Funktion und ein Navigations-System nicht verzichten. Es gibt Systeme in Original-Optik, höchstwahrscheinlich wird es eins dieser Art.
- Tieferlegung: Primär aus dynamischen Gründen möchte ich den Wagen etwas härter abgestimmt haben. Der 5er BMW ist mit seinen 4,8 Metern ein Schiff, dass gerne zum schwimmen neigt bei schnellen Kurvenfahrten. Um dem entgegen zu kommen, halte ich nach einem geeigneten Fahrwerk ausschau. Zu meinen Favoriten gehören H&R-Federn und das originale BMW M-Technik Fahrwerk, mal sehen was sich findet. Auf jeden Fall wird hier nichts zu krasses verbaut, schließlich soll das Fahrzeug und nicht dessen Würde abgesenkt werden!
- Rad-/Reifen-Kombination: Die schnöden 15-Zöller werden spätestens ab nächsten Sommer durch schöne M-Felgen oder welche von BBS oder Alpina ersetzt. Jetzt heißt es erst einmal den Markt checken und Preise vergleichen.
- Scheibentönung: Nächsten Sommer soll das Auto für einen Roadtrip herhalten, für etwas mehr Privatsphäre und Hitzeausgleich würde ich gerne die hinteren Scheiben tönen. Was genau da reinkommt ist noch nicht entschieden, da muss ich mich vorher informieren.
Mit Sicherheit wird mir in Zukunft das Ein oder Andere Detail auffallen, dass ich noch verändern möchte. Es wird aber definitiv hier davon berichtet!
Das perfekte Auto

Youngtimer, urlaubstauglich, wunderschön und nicht langsam – für meine Anforderungen passt der E39 5er Touring ausgezeichnet. Ich kann es kaum erwarten, gemeinsam mit meiner liebsten Leona und der schönen Big Lady was zu erleben und darüber zu schreiben! Angepeilt ist ein Roadtrip nach Griechenland nächstes Jahr, doch dafür muss einiges gemacht werden.
Der erste Schritt führt zu einer befreundeten Werkstatt, die einem befreundeten und zuverlässigen BMW Meister gehört. Dieser wird mit seinem fachkundigen Auge das Auto auf Herz und Nieren prüfen. Dabei wird sich zeigen, ob ich mir für glatte 2.000€ viel Freude am Fahren oder viel Ärger eingebrockt habe – ich bin gespannt! Anschließend wird der Wagen einem Lackierer überlassen, der alle kleinen Macken beseitigen wird, und zu guter Letzt darf ihn ein professioneller Aufbereiter zum Glänzen bringen. Ich werde selbstverständlich dabei sein und berichten, man darf also gespannt sein was kommt!

Eine Antwort zu “Projekt BMW E39 Teil 1: Neues Projekt-Auto!”
Sry aber, Chris Bangel trat bereits 1992 als Designchef bei BMW ein.. zu seinen Kindern gehörten unter anderen E38, E39, E46.. Wenn auch bei ersten beiden die Akzente von Bangle noch nicht so durchtraten, sind diese bei E46 voll eingeschlagen…