American Dream: 1967 Chevrolet Impala SS 327


Endlose Weiten, das Brabbeln des riesigen V8-Motors und Chuck Berry aus dem Radio: „Well, if you ever plan to motor west, Jack take my way, it’s the highway, that’s the best. Get your kicks on Route 66…“
Für einen Samstag tauche ich ab in eine andere Welt aus einer anderen Zeit…

CUT. Wir sind hier im schönen Reutlingen und nicht in Florida. Statt Sonnenschein, Strandpromenaden und breiten Straßen gibt’s hier schmuddeliges April-Wetter, triste Wohngebiete und normale Straßen für unsere kleinen, zierlichen europäischen Autolein. Apropos zierlich: Neben dem ausladenden Chevrolet Impala SS sieht so ziemlich alles zierlich aus, was man als normalsterblicher Europäer gewohnt ist.

Ingo’s
67er Chevy Impala SS

Das legendäre Coke-Bottle-Design steht dem großen US-Klassiker ausgezeichnet.

Es ist Samstag Vormittag und ich bin wieder bei Ingo Flad zu Besuch – vor etwa zwei Jahren berichtete ich von seinem Käfer. Aus der gemeinsamen Liebe für besondere Autos aller Art, entstand in der Zwischenzeit eine gute Freundschaft und nach einigen Treffen überwand ich mich dazu, endlich das auszusprechen, was mir schon beim ersten Anblick des imposanten Amerikaners durch den Kopf schoss:

„Ingo, ich will ihn fahren!“

Der Impala hat mich schon damals fasziniert, sodass ich insgeheim schon mit dem Gedanken spielte, lieber von ihm statt vom Käfer zu berichten. Man kennt den Wagen aus Filmen und TV, aber selbst in einem sitzen und erleben ist eben doch eine ganz andere Hausnummer. Mit ziemlich hoher Wahrscheinlich ist das nicht nur der erste ’67er Impala den ich fahren kann, sondern auch der Letzte.

Roter Riese.

1967 Chevy Impala AUTODROM Moschokarfis
Gerade die Heckansicht wirkt unglaublich dynamisch.

In der Tiefgarage, in der das riesige Auto parkt, fällt die enorme Größe kaum auf. Glück gehabt – wären es deutsche Standard-DIN-Parkplätze gewesen, hätte Ingo so seine Schwierigkeiten gehabt, zwei überdimensionale Ami-Schiffe nebeneinander zu parken. Schließlich schläft der Impala SS neben einem Landsmann: Einem Mercury von 1962.

Schon beim starten des Motors läuft es mir kalt den Rücken runter: Mit ein klein wenig Anlauf erwacht das 5,4l-V8-Aggregat zum Leben und bollert lautstark durch die enge Garage. Was für eine Maschine! Beim langsamen rausbugsieren des Riesen wird mir erst die Länge von 5,30m bewusst. Es scheint, als haben die Motorhaube und die Heckklappe kein Ende. Man könnte locker einen Smart drauf parken.

Datenblatt:
’67 Chevrolet Impala SS 327CUI

1967 Chevy Impala AUTODROM Moschokarfis
Powerhouse: 5,4l GM V8

Während das Auto ausparkt, gehe ich im Kopf noch einmal die technischen Daten des roten Monstrums durch:

  • Motor: GM Chevrolet Small-Block OHV V8
  • Hubraum: 5354cm3 / 326.7 cui
  • Getriebe: GM 3-Gang-Automatik
  • Leistung: 279PS
  • Drehmoment: 481nm
  • Länge: 5415mm
  • Breite: 2029mm
  • Höhe: 1382mm
  • Radstand: 3023mm
  • Tankinhalt: 76l

Ich bin beeindruckt mit welcher Leichtigkeit Ingo den US-Klassiker fährt. Manch einer tut sich mit einem Kleinwagen schwerer. In der Mittelkonsole steckt ein modernes Radio mit USB-Funktion, aus den Boxen erschallt zeitgenössische Musik. „Stell dir vor, die gleiche Musik ist vor vielen Jahren schonmal in diesem Auto gelaufen – als sie aktuell war!“, erwähnt Ingo am Rande. Er hat Recht – denkt man eine Sekunde darüber nach, erkennt man erst das wahre Alter des Chevrolet.

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Die brachiale Urgewalt wird mit dem recht filigranen Wahlhebel in Zaum gehalten.
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Die gute Stube: Der Innenraum lädt zum verweilen ein.

Der Innenraum ist luftig, man hat Platz wie in einem Wohnzimmer. Die Sitze sind sehr bequem und entspannt, Seitenhalt sucht man jedoch vergebens. Am Armaturenbrett kann ich mich nicht satt sehen. Jedes Mal entdecke ich ein neues, schönes Detail. Obwohl der Impala über allerlei Ausstattung verfügt, wirkt alles sehr schlicht. Allgemein bin ich beeindruckt, wie schlicht das Auto trotz Hunderten kleinen Details und Chrom-Schmuck aussieht. Nach einiger Zeit fährt Ingo rechts ran, hält an und übergibt mir das Steuer.

So fährt sich der Impala SS

1967 Chevy Impala AUTODROM Moschokarfis Moschos
Ich kann mein Glück kaum fassen: Ich fahre den Impala!

Schon beim Rüberlaufen auf die Fahrerseite beschleunigt sich mein Puls und das einzige, was ich denke ist:

„Ach du liebe Zeit, was hast du dir da nur eingebrockt?“

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Klare Instrumente und schöner SS-Hupknopf.

Etwas zittrig setze ich mich ans verhältnismäßig klein geratene, daumendicke Volant. Meine Halsschlagader meldet sich und pocht wie wild, beim ersten Gasstoß im Leerlauf droht sie zu platzen. Der Motor reagiert so giftig und direkt, bollert und knallt beim Gas wegnehmen. Es ist ein Cherry-Bomb-Exhaust verbaut, um mir noch das letzte Stückchen Übermut rauszukitzeln.

Ab geht’s!

Ein wenig einschüchternd ist diese Front ja schon…

Wahlhebel der 3-Gang-Automatik auf „D“ und los geht’s! Etwas unbedacht trete ich ordentlich und beherzt ins Pedal und der rote Riese macht einen hastigen Satz nach vorne – die 481nm Drehmoment spürt man deutlich. Das ist kein Motor, das ist ein aggressives Biest! Die Maschine wird der Bezeichnung SS, „Super Sport“, gerecht. Für heutige Verhältnisse hat der Chevy ein enormes Spiel im Lenkrad. In Anbetracht dessen bekomme ich plötzlich Respekt vor den ganzen amerikanischen Muscle Car Drag-Racern: Es bedarf schon ein bisschen Arbeit den Wagen gerade zu halten.

Gewöhnungsbedürftig?

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Der Umgang mit der überdimensionalen Karosse ist leichter als erwartet.

Gewöhnt hab ich mich recht schnell an die große Kiste, das Lenken ist extrem leichtgängig und trotz des Spiels gut zu kontrollieren, die Übersicht ist ausgezeichnet und der Motor ein Gedicht. Gewöhnungsbedürftig ist der fehlende Bremskraftverstärker, damit hatte ich bis zum Ende der Fahrt meine Schwierigkeiten. Das große Bremspedal ergibt durchaus Sinn: Bei einer Vollbremsung sollte man tatsächlich mit beiden Beinen Bremsen. Hat der Wagen erstmal Fahrt aufgenommen, fängt man automatisch das Träumen an…

Zeitreise im Chevy

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Sündige Farbe, sündige Gedanken? Die schön gepolsterte Rücksitzbank lädt nicht nur zum mitfahren ein.

Auf einer langen, geraden Landstraße schweifen meine Gedanken ab. Ich möchte gar nicht schnell fahren, einfach cruisen. Am besten den Sonnenuntergang entgegen, um schließlich an einem Aussichtspunkt zu rasten und das Abendlicht genießen, anschließend durch die Nacht zu fahren. Ich möchte einfach fahren, ohne konkretes Ziel, achwas, am besten ganz ohne Ziel! Ich möchte einfach nur fahren, fahren, fahren: Der Weg ist das Ziel. Das Fahren ist das Ziel. Im Idealfall mit meinem Mädel auf dem Beifahrersitz. Beim Blick auf die rote, mit Leder überzogene, großzügige Rücksitzbank möchte ich mein Mädel nicht nur auf dem Beifahrersitz… Auf diesem Ledersofa kuscheln, rummachen und mehr, so wie in den Filmen!

Aufwachen!

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Pedal to the metal: Die extrabreiten Reifen halten einiges aus wenn es sein muss!

Das ist nicht mein Auto, auf der Beifahrerseite sitzt Ingo, das ist die schwäbische Alb und nicht Florida oder Kalifornien. Statt Sonnenschein und Sonnenuntergang kündigt sich hier schon leichter Nieselregen an. „April, April, der macht was er will!“ So ’ne Scheiße auch… Wobei: Schelmisch gebe ich kurz Vollgas, das entschädigt. Unter Volllast sprintet der riesige Impala SS nach vorn als ob es kein Morgen gäbe. Der V8 brüllt im oberen Drehzahlbereich so laut und brachial, dass mir die Haare zu Berge stehen. Wahnsinn. Brutal. Hammer. Das ist einfach unbeschreiblich! Meine spontane Reaktion:

„Ingo, ich brauche Taschentücher!“

Reaktionen auf den US-Klassiker

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Ja, diese Silhouette beeindruckt!

Auf der Landstraße kommt uns ein Mercedes Benz 190er entgegen und der Fahrer zeigt die Daumen nach oben. Anschließend fahren wir an einer Bushaltestelle vorbei – die Jugendlichen erinnerten mich an Cowboys, die schnell ihre Waffe zücken, so schnell zückten diese ihr Smartphone um ein Foto zu schießen. Egal wo man mit diesem Auto hinfährt, alle schauen und drehen sich nach der Kiste um.

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Manch einen schüchtert dieser Blick schon zu sehr ein.

Dabei bleibt es leider nicht nur beim positiven „Daumen hoch“: Beim Aussteigen fragte ein älterer Griesgram, warum man den so ein extremes Auto braucht – um anschließend in seinen silbernen Ford C-Max Diesel zu steigen und empört davon zu fahren. Ebenso schüttelte der eingefleischte Rennrad-Fahrer in voller Montur den Kopf und rief „Umweltverpester!“. Zugegeben, ich bin etwas verblüfft. Unglaublich wie unterschiedlich doch die Wahrnehmung ist und wie wenig die Leute anderen gönnen. Fährt man so ein Auto, sollte man schon etwas redegewandter sein um Unsinn wie diesen abwehren zu können.

Eine andere Welt

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Details: Die Pins haben die Form kleiner Zylinder.

Wir parken an einem nahe gelegenen Waldstück um die rote Schönheit mit der Kamera einzufangen. Dieses Mal fällt es mir wirklich schwer, das Erlebte in Worte zu fassen. Die Fahrt im Impala war nicht nur eine Zeitreise in die späten 60er-Jahre, sondern gleichzeitig auch in andere Welt. Trotz des famosen Aggregats habe ich mich noch nie so ruhig gefühlt beim Fahren. Erst im Nachhinein habe ich gemerkt, dass ich nicht einmal auf den Tacho geschaut habe.

Ups, das sind ja Meilen! Da war was…

Das weiche, leicht schaukelige Fahrwerk und der Grundcharakter des Autos nehmen einem alle Eile. Ich kann mir nicht vorstellen dieses Auto in irgendeiner Art und Weise hektisch zu bewegen.

Normaler als erwartet

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Spiegel mit eingeprägtem Chevrolet-Emblem.

Im Grunde bräuchte man genau so einen Wagen im Alltag. Butterweiche, unspektakuläre Automatik, weich gefedert und die Atmosphäre eines schicken, edlen Wohnzimmers. Wer würde da noch gestresst im Stau stehen? Oder nach der Arbeit hektisch nach Hause fahren? Obwohl ich Automatik-Getriebe bislang tendenziell eher verteufelte, würde ich nach diesem Ausflug eine gute, alte Wandler-Automatik im Alltag durchaus fahren wollen!

Verbrauchswerte

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Chevrolet Impala SS „SuperSport“: Der NAme ist Programm.

Die meisten fragen sich, was so eine Ami-Kiste eigentlich verbraucht. Das sind Daten, die man nicht wissen möchte und kaum eine ernsthafte Kaufentscheidung beeinflussen werden. Wer sich wirklich ein Auto dieser Art leisten kann und will, wird sich kaum daran stören dass dieser in der Regel um dieweit über 20l auf 100km liegt. Das ist kein Alltags-Auto, sondern ein Stück automobile Geschichte, ein Stück Kultur und vor allem noch ein großes Stück heile Welt – eingepfercht in fast zwei Tonnen Metall. Ich bin dankbar dass es Leute wie Ingo gibt, die diesen Zeitgeist erfolgreich konservieren (können) und bereit sind ihn zu teilen. Vielleicht sollten wir uns alle an dieser Stelle eine Scheibe von ihm abschneiden.

Gehört zur Familie.

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Highlight: Impala-Emblem auf der Rücksitzbank.

Ingo hat mehrere Autos, fährt alle (!) und pflegt alle (!), mag aber den häufigen Wechsel und verkauft das ein oder andere Auto wenn die Zeit gekommen ist. Unter all‘ diesen Autos gibt es jedoch ein paar, die in der Zwischenzeit „zur Familie der Flads„ gehören und für immer bleiben werden – unter ihnen auch dieser feuerrote ’67er Chevy Impala SS.

Eigenimport aus den USA.

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Lowrider-Charme: Fehlende B-Säulen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Auto-Käufen Ingo’s, war der Impala kein spontaner Kauf. Nach ewiger Suche im Internet, fand ein Agent dieses Fahrzeug in Spring Hill, Florida. Nach sorgfältiger Einsicht der Bilder beschloss Ingo, die Anzahlung zu tätigen und den Wagen nach Deutschland zu holen. Nach und nach folgten Bilder mit GPS-tags, die von der Reise des Wagen von Spring Hill nach Miami berichteten, bis der Wagen eines Tages tatsächlich vor der Haustür in Reutlingen stand.

Nach einigen Umbauten an den Scheinwerfern, der Nachrüstung der Warnblinkanlage und einigen anderen Vorbereitungen auf den deutschen TÜV, konnte der Wagen schließlich 9 Monate später endlich in Deutschland zugelassen und legal gefahren werden!

Zurück zur Normalität.

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Auch Ingo nutzt die Gunst der Stunde und schießt ein paar Fotos von seinem Auto.

Nach einem netten Kaffee bei den Flads sitze ich wieder in meinem BMW. Plötzlich kommt mir alles so kompakt und „fest“ vor. Das Lenkrad ist im Vergleich zum Impala griffig und schwergängig und ich habe das Gefühl, ich sitze in einem Sportwagen. Erst nach diesem Ausflug wird mir der immense Unterschied bewusst: Im modernen Auto ist alles fester, griffiger, steiffer und härter – das lässt uns unbewusst annehmen, dass diese Autos auch mehr aushalten und wir fahren entsprechend. Würden wir doch immer so umgehen wie mit Oldtimern: Vorsichtig, liebevoll und entspannt. Aus dem Radio meines BMW schallt passend der Soundtrack von Pixar’s „Cars“ entgegen – ein bisschen träumen darf ich noch auf der Heimfahrt…

Vielen Dank für dieses einzigartige Erlebnis, Ingo!


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